2022

Diesmal geht es zu zweit los, nicht nach Süden, auf zu neuen Ufern. England, Wales, Irland. Erstmal Reisepässe besorgen, seit dem Brexit nötig. Wie uns wohl die Briten aufnehmen nach der langwierigen Scheidung? 

 

Wir sind eine Stunde zu früh in Calais und schauen uns um. Calais hat nicht nur ein beeindruckendes Rathaus und einen kreativ gestalteten Park davor, sondern auch viele Wandmalereien.

 

Auch Dover lohnt mehr als einen flüchtigen Blick. Besonders die Klippenwanderung an den Kreidefelsen mit Blick auf die Burganlage.

 

Canterbury hat viele schöne alte Gassen und Häuser. Auch grüne Wege entlang des Flüsschens.Die Kathedrale kann man auch von außen bewundern, das entlastet die Reisekasse. Als Pfarrerskind habe ich eine angeborene Abneigung dagegen, für einen Kirchenbesuch Eintritt zu zahlen.

Bei Eastbourne liegt das wunderbare Naturschutzgebiet Seven Sisters. Dort kommen wir auf einer großen Farm unter mit Blick auf die Pferdekoppeln. Ein Green Valley, schön geschwungen die von Bäumen eingefassten Hügel in allen Farbschattierungen.

Am Fluss kann man auf Bridleways entlanggehen, bis der Fluss mäandert und an einem herrlichen Kiesstrand ins Meer gelangt. Oder das Meer ins Land, bei Flut. Zu beiden Seiten, wie so oft hier, imposante Kreidefelsen.

 

Im kleinen Dorfpub sagt die junge Kellnerin zu mir: Thank ye, Darling! Und als ich mich vergewissern will, ob sie mich vielleicht auf den Arm nimmt, mit breitem Lächeln und treuen Augenaufschlag: And a wonderful night, darling!

 

In Wiltshire campen wir auf einer Hochebene mit schönen Sonnenuntergängen. Einmal sogar mit Regenbogen. Das Ehepaar, das den Campingplatz betreibt, ist mindestens 10 Jahre älter als wir, hat aber alles gut im Griff und kümmert sich rührend um das Wohl der Gäste. Überhaupt sind die Leute in Südengland auffallend kommunikativ, interessiert, immer freundlich und hilfsbereit.

 

Von dort machen wir eine Fahrradtour ins wunderbare Salisbury. Auf den engen Landstraßen kann man nicht gut radeln, die Autos nehmen den ganzen Platz ein und fahren rasant. Fahrradwege sind unbekannt. Die Alternativroute, die der nette Campingvater uns vorgeschlägt, hat wenig Autos, aber heftige Anstiege.

 

 

Am Avon in Salisbury
Am Avon in Salisbury

Lyme, das Städtchen der Ammoniten, liegt in Dorset. Uplyme, 2 Meilen oberhalb, in East Devon. Dort fahren wir auf einem extrem engen, an beiden Seiten und oben grün zugewachsenen Sträßchen zu Canninghams Farm. Das Tor ist offen, wir sehen aber niemanden. Doch, ein hochgewachsener Jüngling vollführt in einem Winkel anmutige Bewegungen mit einem Schwert. Er bemerkt uns erst spät, so versunken ist er.

 

Wir erfahren, dass der Farmer unterwegs ist, er könne uns aber gerne helfen. Wir bekommen einen Platz auf der riesigen Wiese gezeigt, der einigermaßen plan ist. Mit Ausblick auf das alte Eisenbahnviadukt, dass sich am Ende der Wiese befindet. Ein fast irrealer Ort: Allein vor einem riesigen Viadukt.

 

Gareth wirkt wie ein junger Ritter, sehr höflich und zuvorkommend. Zu mir sagt er Sir. Er erzählt von den großen, weißen Eulen, die nachts unterwegs sind. Dieser Zwanzigjährige ist mit seiner Mutter hier. Aufgewachsen ist er in Südafrika. Aber er liebt diesen Platz, hier möchte er einmal begraben werden.

 

 

Auf unserer Fahrt durch Devon kommen wir in Sidmouth vorbei. Während die Küstenorte weiter östlich oft Jahrmarkt und elektronische Spielgeräte haben, ist hier nichts davon. Ein nettes Städtchen am Meer, eine Strandpromenade, auf der gerade eine kleine Band spielt. In den Häusern gegenüber sitzen die Damen auf den Balkonen und klatschen. Zwei kleine ukrainische Mädchen tanzen.

 

Wir hören zu und gehen dann direkt unterhalb der Promenade ins kalte Meer. Schwimmen mit Live-Musik, eine Premiere. Wieder aufwärmen auf den warmen, runden Kieseln. Und ein Gang um die roten Felsen, die Sidmouth einrahmen. Auf den Felsen oben ein prächtiger, verwunschener Garten mit Palmen und exotischen Pflanzen.

In Dartington, zwischen Dartmoor und Dartmouth gelegen, stimmt gerade eine kleine Jazzband die Instrumente, als wir kommen. Vor den alten Gebäuden der Dartington Hall kann man schöne Töpferwaren und Gemüse aus eigenem Anbau erstehen, drinnen ist gerade Bücherflohmarkt.

 

Aber das Schönste wartet draußen: Wir gehen ein paar Schritte und kommen zu einem alten Kirchturm, dem die Kirche abhanden gekommen ist. Ringsherum uralte Grabsteine und noch ältere Bäume, einer ist 1500 Jahre alt. Etwas weiter gelangen wir in einen wunderschönen Park. An den perfekt gepflegten Grashängen ein Schild: "Wir bitten Sie, nicht herunterzurollen. Diese Flächen sind alt und empfindlich, wie auch die Gärtner."

Die Straßen von Dartington ins Dartmoor werden immer schmaler. Man fährt wie in einem Labyrinth, an den Seiten hohe Hecken mit Bäumen, deren Äste ein dichtes grünes Dach bilden. Und immer die Sorge, in der nächsten Kurve könnte ein Auto entgegen kommen. Oder ein LKW... Dann heißt es, eine Ausweichstelle finden und zentimetergenau zirkeln.

 

Auf den hochgelegenen Heide- und Grasflächen Schafe und Dartmoorponys. Uralte, locker aufeinander geschichtete Steinmauern mit fossilen Abdrücken. Auf den Hügeln Steinmonumente. Von hier oben sollten Späher das Herannahen der spanischen Armada melden.

 

Auf dem Weg durch Cornwall machen wir Rast in Truro, der alten Bischofsstadt. Hier kann man schön bummeln und Kaffeetrinken. Aber der Knaller ist die Kathedrale. Man darf hinein, ohne einen Penny zu berappen. Und wenn man jetzt denkt: Was nix kostet, ist nix - denkste! Eine wunderschöne, große Kathedrale mit viel Licht, schönen Fenstern und vielen besonderen Details.

 

Auf diesem Bild sieht man den Bürgermeister und seine Frau, die in der Kathedrale Anfang 1600 ihre letzte Ruhe gefunden haben, in ihrer Lieblingsruheposition. Er liest ein Buch und schaut dabei versonnen in die Ferne. Sie sieht aus, als ob sie Musik hört. Oder auf etwas wartet.

 

Wir landen in einem netten Hippie Camp am Lizard Point, dem Südende von England. Hier gibt's Palmen, Strohhütten, Enten, Hühner, schöne Plätze und insgesamt ein Karibikflair, das noch durch viel Sonne und ein gut gemischtes und gelauntes Publikum unterstützt wird. In ein paar Minuten ist man auf dem atemberaubenden South Coast Path, der sich an der ganzen Küste entlangschlängelt.

Wir fahren von Cornwall an die wilde Nordküste von Devon nach Mortehoe auf einen Campingplatz mit großen Wiesen. Die fallen schräg zum Meer hin ab und haben eine traumhafte Aussicht auf den Bristol Channel, die Vogelinsel Lundy und ganz in der Ferne die walisische Küste. 

Der Coast Path verläuft direkt unterhalb des großen Farmgeländes und folgt in unzähligen Windungen der aufregenden Steilküste. Unvermittelt tauchen Schafe auf und haben selbstverständlich die älteren Wegerechte. Ganz unten immer wieder kleine Strände, die man aber ohne Kletterausrüstung nicht erreichen kann. Aber hinter dem netten Dorf fangen die großen Sandstrände an, wo die Surfer mit den Wellen kämpfen.

Genau in der Mitte zwischen den beiden Unistädten Bath und Bristol sind wir auf einem kleinen Camping direkt an einer Heuwiese. 200 Meter entfernt verläuft die zum Radweg umgebaute Eisenbahntrasse. Eine Sensation! Wir hatten schon gedacht, wir hätten unsere Räder ganz umsonst mitgenommen. Es geht in Südengland eigentlich immer nur rauf und runter, die Straßen sind eng und für Fußgänger und Radfahrer gefährlich.

 

Gleich nach der Ankunft probieren wir den Radweg aus. Herrlich! Überwiegend im Schatten, entlang des Avon, mit vielen Badestellen, die gut besucht sind. Wie im Fluge und ohne Anstrengung sind wir im quirligen Städtchen Bath, wo gerade unzählige Hochschul-Absolventen in farbenprächtigen Talaren ihren Abschluss feiern und ihre Hüte werfen.

Am nächsten Tag geht es auf der Radtrasse in die andere Richtung nach Bristol. Dort ist gerade großes Fest, überall Musik und Trubel. Ich sitze an meinem Lieblingsplatz direkt an der Avonbrücke. Boote kommen vorbei, so viele unterschiedliche Menschen, jeder trägt seine Geschichte mit sich herum. Ein Blick im Vorübergehen verrät so viel. 

 

Während ich gucke und vor mich hin philosophiere, probiere ich die Spezialitäten der Brauerei. Leider schaffe ich nicht alle 28, die man sich frisch gezapft abholen kann. Oder zum Glück ...

 

Abends auf dem Heimweg springen wir in der Nähe unseres Campingplatzes in den Avon. Beim Zurückschwimmen merken wir, dass der Fluss schon ein bisschen Strömung hat, und, dass es schwer ist, sich aus dem Wasser wieder auf den morbiden Bootssteg hochzuziehen. Aber der englische Sir, der sich auf seinem kleinen Hausboot gerade ein schönes Gläschen Wein eingegossen hatte, sieht unsere Not und hilft uns mit seiner Klappleiter. So sind sie, die Engländer! Immer hilfsbereit und absolut freundlich und interessiert! 

 

In Wales folgen wir dem River Wye flussaufwärts, immer an der englischen Grenze, bis zum pittoresken Städtchen Hay-on-Wye. Hier gibt's über zwanzig kleine Gebraucht-Buchläden, die sich auf bestimmte Themen und Gebiete spezialisiert haben. In den Siebzigern erklärte ein Buchhändler Hay zum Königreich, sich selbst zum König und sein Pferd zum Premierminister. Dazu passend residierte er im Schloss.

 

Ein bisschen von diesem Übermut schlägt hier immer noch durch, schließlich hat man sich als Partnerstadt nicht Hattingen, sondern Timbuktu ausgeguckt! Auch wenn der König inzwischen tot ist, für das Marketing war seine Idee der Knüller. Das kleine Hay ist überall bekannt im United Kingdom und wer was auf sich hält, sucht hier nach seiner Literatur. 

 

Vielleicht wäre das mit dem Pferd als Premier auch eine gute Alternative für den britischen Wuschelkopf? 

Und wir begegnen ihm tatsächlich, dem windigen Politiker mit der aufregendsten Frisur nach Donald Trump. Allerdings nur auf einem großen Foto am Eingang des Conservative Clubs von Hay. Warum wir dort waren? Ein Tipp eines netten Walisers, auf der Suche nach einem Pub, der das Spiel der Frauen-EM überträgt. 

 

Schon ein komisches Gefühl, gleich daneben der Sitzungssaal des Lion Clubs. Obwohl England spielt, ist das Interesse der wenigen Pub Besucher am Spiel sehr gering. Aber der Wirt ist nett und der Cider lecker. Was die Herren sich beim Spiel da erzählen und worüber sie lachen, wollen wir gar nicht so genau wissen.

Davor haben wir einen wunderschönen Tag mit dem Kanu auf dem River Wye verbracht. Schattige Bäume, Kraniche und Eisvögel am Ufer. Ein sanftes Dahingleiten mit immer wieder neuen Ausblicken. Und diese Stille! Das einzige, was man hört, ist das Rauschen der kleinen Stromschnellen.

 

Und dann kommt die alte Zollbrücke in Sicht, auf der ich vor 45 Jahren die rostige Schranke bedient und Pennies kassiert habe. Sie ist immer noch genauso schön morsch wie damals. Man kann nie sicher sein, bei welchem Auto sie endgültig zusammenkrachen wird. Aber die rumpelige Überfahrt kostet inzwischen 1 Pfund. Die alte Schranke ist durch eine Ampel und einen Kassenautomaten ersetzt worden.

Der kleine Campingplatz Wild Wales existiert anscheinend nur bei Google. In diesen kleinen Feldweg sollen wir reinfahren? Ernsthaft? Kein Schild, kein Hinweis, nix. Die Schlaglöcher werden größer, der Weg schmaler. Wenden? Aber wo und wie?

 

Da taucht nach einer erneuten Wegbiegung im Nirgendwo ein altes walisisches Steinhaus auf. Ah, und zwei Wohnwagen! Und dann taucht auch Norman auf. Wir können uns unseren Platz aussuchen. Alle sehen anders aus, sind sehr geräumig, durch Büsche und Bäume geschützt, und haben eigenes Brunnenwasser und eine Feuerstelle.

 

In der Ferne sieht man das Meer. Ein kleiner Weg führt an Feldern vorbei zur keltischen Grabstätte und zum Coast Path, der entlang der Klippen des Nationalparks von Pembrokeshire verläuft. Eine Bucht schöner als die andere.

Norman hält gerne einen kleinen Schnack. Nein, er kommt nicht von hier. Er ist in Nordengland aufgewachsen und als Student mit Freunden hierhergekommen, um sich mit Bau- und Handwerksarbeiten Geld zu verdienen. Und dann hat es ihm so gut gefallen, dass er gleich dageblieben ist. 

 

Er hat geheiratet, sich ein Stück Land gekauft, singt im Chor walisische Lieder. Jetzt ist er alt und allein, ab und zu schaut die Tochter nach ihm. Nee, weg will er hier nicht. Er war mal auf Kaffeefahrt, drüben in Irland. Da sah es so ähnlich aus wie hier. Und Guinness kriegt er auch im Pub um die Ecke...

 

Bevor das Snowdonia-Gebirge heute im Abendlicht funkelte und leuchtete, gab es zwei Regentage. Aber auch bei Regen hat das Gebiet seinen Charme. Wilde Flüsse, Seen, Moore, alle Grün- und Brauntöne, die man sich denken kann. Steile Berghänge, auf denen bis ganz oben Schafe herumklettern. Und Bergsteiger wie Snowdon, der hier für seine Himalaya Expeditionen übte.


Und dann sind wir plötzlich in Irland. Von Dublin fahren wir quer rüber zur Galway Bay. Als wir Galway besuchen, ist die ganze Stadt auf den Beinen. Frauen mit knallengen und quietschbunten Kleidern stöckeln neben erwachsenen Jungen im Anzug her Die Wettbüros haben Hochbetrieb. Man ist auf dem Weg zu den Races, dem Pferderennen.


Und plötzlich ist der Spuk vorbei, die Stadt ist wieder entspannt und voll Musik, an jeder Ecke ein Musiker. An der Kaimauer sonnen sich die Leute und hören einer Blues Band zu, die gegenüber auf einer Wiese für ihren abendlichen Auftritt übt. Die Boote schaukeln im Rhythmus mit.

Von Galway geht es westwärts entlang der Wild Westcoast Route nach Connamara. Steine, Moos, Sumpf, überall Seen, Heide, Berge. Mittendrin Schafe, Ponys, manchmal Kühe. Wenig Menschen. Eine wilde Felsenküste, kleine Buchten mit weißem Sandstrand dazwischen.

 

Im kleinen, hübschen Hafen Roundstone gibt es leckeres Essen und abends sogar Live-Musik. Drei Mädchen aus der Umgebung spielen Jigs und Reels auf Harfe, Bandoneon und Concertina. Beim Instrumentenbauer wählen wir eine schöne Bodhran aus, die große irische Rahmentrommel mit dem tiefen Klang.

Bank Holiday am 1.8. ist so eine Art Wochenend-Verlängerung für die Iren. Am Sonntagabend waren die Kneipen und Straßen voll, am Strand gab es großes Feuerwerk und am nächsten Vormittag hatten viele Läden zu und vor den Pubs stapelten sich die Guinness Fässer.


Wir entscheiden uns spontan, nicht nach Tipperary zu tippeln, sondern mit der Fähre rüber nach Cherbourg zu fahren, und das wunderschöne, aber feuchtkalte Irland sich selbst zu überlassen. Eines Tages kommen wir wieder, ganz bestimmt!

Am Westufer der Halbinsel Cotentin gibt es kilometerlange, wunderbar weiße, feine Sandstrände. Einsam, selbst in der Hochsaison. Herrlich zum Strandwandern, Baden in den Atlantikwellen und faulen Herumliegen in den Dünen. Und die Sonnenuntergänge! Jeden Abend ein Feuerwerk der Farben!

Ich sitze auf dem Klo. Campingplatz in der Normandie. Alles ist funktional und sauber, allerdings gibt's hier weder Klopapier, noch Klobrille oder Seife am Spülbecken. Das war in England anders, sogar auf den allereinfachsten Plätzen. Aber egal, so kommen die mitgenommen Klopapierrollen wenigstens zum Einsatz.


Als ich dort konzentriert auf der Keramik hocke und meine Klopapierrolle schön festhalte, schiebt sich plötzlich ein Kinderhändchen unter der Tür durch. Ein zartes Stimmchen ertönt: "Papa, kannst du mir bitte die Seife geben?" Nun, ich bin zwar Papa, sogar Großpapa, aber nicht der gesuchte. Also antworte ich: "Dein Papa ist bestimmt nebenan, probier es doch mal dort!"


Daraufhin wird an der nächsten Tür geklopft: "Papa?" Eine sonore Stimme neben mir: "Welchen Papa suchst du denn?" Was für eine bescheuerte Frage! "Meinen Papa!" antwortet das zarte Stimmchen unbeirrt. Gut gegeben!


Ist der Papa denn nicht im Raum und hilft endlich mal seinem kleinen Jungen? Doch er ist da und fügt pädagogische Ratschläge hinzu. "Hendrik", meldet sich die sonore Stimme neben mir wieder zu Wort, "du musst immer dazusagen, welchen Papa du meinst, hier gibt es so viele! Also den Namen! Die Seife ist in meiner Kulturtasche am Waschbecken!"


Ach du meine Güte! Ein Oberlehrer, der hier neben mir auf der Keramik hockt, um seinem Kind Lektionen zu erteilen! Wenn ein Kind "Papa" ruft, dann ist es ziemlich egal, ob der Papa Heinz oder Franz heißt, möcht ich meinen. Er wird doch hoffentlich sein Söhnchen an der Stimme erkennen, bitteschön! Ehe der sich einen neuen Papa sucht, der nicht so bräsig hocken bleibt, wenn Hilfe gebraucht wird. 


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Ein Paar Tage Reisepause zu Hause wegen einer Trauerfeier bei Berlin.


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Es geht wieder los, durch Luxemburg nach Metz zu einem Besuch der Kathedrale mit den schönen Fenstern von Chagall, den Markthallen und der Altstadt am Ufer der Mosel. Dann durch Lothringen und die Vogesen zur Saone. Dort genießen wir den Abend am Flussufer.



Wunderbare Tage an der Dordogne auf einem urigen Platz direkt am Fluss. Hören, was der Fluss erzählt, schon morgens beim Frühstück bis abends und die ganze Nacht über. Fahrradfahren, mit dem Kanu den Fluss erkunden, in der Hängematte entspannen... Herrlich!

Von den schon sehr herbstlich gefärbten Dordogne-Ufern machen wir einen Abstecher zu den grünen Weinfeldern bei St. Emilion und fahren dann durch die Gascogne Richtung Pyrenäen. Die kleine Pass-Straße schlängelt sich auf 1800 m hoch und bietet grandiose Panoramen. Erst müssen wir eine Schafherde vorbeilassen, dann eine Herde Kühe.


Auf der spanischen Seite geht es wieder runter, hier campieren wir in 900 m Höhe umgeben von Gebirgsbächen und saftig grünen Bergwiesen. Auf unserer Wanderung sehen wir ein Dutzend junger Rotmilane, die von ihren Eltern in die höheren Weihen der Flugkunst eingeführt werden.

Heftige Gewitter toben über den Bergen und tauchen zwei Tage später auch in den kastilianischen Bergen auf. Auf dem Weg dorthin gucken wir uns Zaragoza an. Hier entdecken wir schöne Gassen und originelle Klobemalung in einem Café. Links die Senoras, rechts die Caballeros - am besten ohne Pferd.


Zwischen Madrid und Valencia liegen Hochebenen, die von Gebirgszügen begrenzt werden. Wir fahren auf kleinen Straßen zum Tajo Alto, zunächst durch eine sehr karge, aber reizvolle Landschaft. Im Gewitterlicht leuchtet die Erde rot und ocker, dazwischen das dunkle Grün der Steineichen. Oben in 1500 Metern dann plötzlich Kiefern und Felsungeheuer aus rotem Sandstein.

 

Bei der Weiterfahrt Richtung Süden entdecken wir rechts und links einer schmalen Bergstraße Schnee. Das Gewitter, das uns Tags zuvor bei einer Wanderung erwischt hat, ist hier als Schneesturm heruntergekommen. Ein seltsames Gefühl, in Kastilien bei Temperaturen um 39 Grad mittags durch Schnee zu fahren.

 

Auch im südlichen Kastilien gibt es Gebirge wie die Sierra de Alcaraz, in der Wind und gelegentlicher Regen die Temperaturen erträglich machen. Oberhalb unseres Camps liegt das Dorf Penascosa mit einer Bar, in der man zur Mittagszeit Getränke und kleine Tapas bekommt. 


Auffällig sind die schweren Eisentore und vergitterten Fenster im Dorf. Im August ist Fiesta, alle Leute auf der Straße, und dann werden die Stiere durch das Dorf getrieben. Ja, das wäre schon gefährlich. Aber die Muttergottes sorgt dafür, dass nichts passiert, die wird vorher feierlich durch den Ort getragen.


In dieser Gegend gibt's keine ausländischen Touristen, entsprechend auch keine Speisekarte. Der sehr nette Wirt erzählt uns mehrmals in schnellem Castillano, was die Küche anzubieten hat. Wir nehmen, was interessant klingt. Auf diese Weise lernen wir "robas" kennen, nämlich frittierte Schweineschwänzchen. 

Und überall schöne, gut ausgeschilderte Wanderwege, vorbei an alten Steineichen, Obstgärten, verlassenen Steinhütten und verwilderten Terrassen. Selten treffen wir jemanden am späten Vormittag, später wird's dann zu heiß zum Wandern. 


Die Spanier trinken gegen 2 Uhr Bier, essen Tapas und machen Siesta. Das öffentliche Leben erwacht nach 5. Abendessen gibt's nicht vor 9, die meisten Familien, auch mit kleinen Kindern, kommen nicht vor halb zehn ins Lokal.

Durch endlose Oliventerassen und aufregende Felsformationen geht es nach Andalusien. An Granada vorbei und hinauf in die Berge. Unter dem Camping ein großer Stausee mit grünem Wasser. Gegenüber im Wolkendunst die Schneeberge der Sierra Nevada.

Ein Bus fährt hinunter nach Granada. Dort ist es merklich heißer als oben in den Bergen. Zum Glück gibt's überdachte Passagen und enge Straßen, wo die Sonne nicht hinkommt.


In der Fußgängerzone merke ich, dass etwas über meinen Rücken schwappt, als ob jemand Wasser über mich schüttet. Ich schaue an den Fassaden hoch, kann aber nichts entdecken. Ein Mann überholt uns und gestikuliert, zeigt auf meinen Rücken. Eine karamellfarbene Masse wie Kinderdurchfall klebt an Hemd und Hose bis runter zu meinen Sandalen. Ich bin schockiert.


Er zeigt mir, wo die nächste Toilette ist, bei Burger King an der Ecke, und hilft mir, die Hose von hinten zu säubern, während ich das ausgezogene Hemd im Waschbecken reinige. Das finde ich ausgesprochen freundlich und bedanke mich vielmals. Mit nassem Hemd geht's weiter durch die schönen Altstadtgassen. Erst etwas unangenehm, aber es kühlt den Körper schön runter. 


An einem kleinen Platz machen wir Pause, essen Tapas und trinken einen Schluck. Als ich zum Bezahlen das Portemonnaie aus meiner Hosentasche nehme, kommt der Schock. Etwa 300 Euro in Scheinen sind futsch! Die Girokarte fehlt auch, Visacard und Personalausweis sind aber noch drin. Ein teurer Stadtbummel!

Ein halber Tag in der Alhambra lässt alles Ungemach vergessen. Eine fantastische Welt für sich, die Architektur, die Gärten, erfrischendes Wasser überall, die Liebe zum Detail. Ein Paradies auf Erden. Was wäre Spanien ohne die Mauren?


Wir fahren zu den Alpujarras, dem südlichen Vorgebirge der Sierra Nevada. Ein schattiger Platz in 1200 m Höhe für Auto, Zelt und Hängematte. Von hier kann man durch die Berge wandern zu den vielen weißen Dörfern. Die schönsten sind die, zu denen man nur zu Fuß gelangt. Wasser braucht man nicht mitzunehmen, das rauscht und plätschert überall.


Fahrt durch die aufregend schöne und schroffe Serrania der Ronda und zur Burg von Castellar, die in den 70ern von Aussteigen instandbesetzt wurde. Sie haben inzwischen die Häuser im Burgdorf gemietet oder gekauft und sorgen dafür, dass das Castillo ein wunderschönes Burgdorf mit viel Kunst und Kunsthandwerk geworden ist. Von der Burgmauer kann man den Gibraltarfelsen und die afrikanische Küste sehen.


Weiter zum südlichsten Ort des europäischen Festlands: Tarifa wirkt schon orientalisch in der Altstadt und hat einen weiten Strand, der sich kilometerweit hinzieht. Die Felsen des marokkanischen Rif-Gebirges wirken so nah, als könne man hinüberschwimmen. Hier tummeln sich die Gleitsurfer bis in den Abend hinein, wenn die Sonne ihr letztes Feuerwerk präsentiert.

In Tarifa ist gerade Fiesta. Reiter in historischen Trachten, geschmückte Kutschen und viele elegante Senoritas ziehen durch die dicht bevölkerten kleinen Gassen. Es wird gegessen, getrunken, getanzt und gelacht.

 

Jetzt geht's in kleinen Schritten Richtung Nordwesten, das schöne Cadiz schauen wir uns an, lassen uns von den Atlantikwellen an der Costa Bailena umschmeißen und besuchen Sevilla.

Wir verabschieden uns von Andalusien und fahren über den breiten Grenzfluss Guadiana ins portugiesische Bergland bei Alcoutim. Dort duftet es würzig nach Pinien und Kräutern und der Wind pustet uns ordentlich durch auf dem Minicamp auf der Bergspitze mit dem herrlichen Panoramablick.

Von Alcoutim geht's in den Südwesten nach Zambujeira. Die Steilküste der Costa Vicentina mit ihren Badebuchten lockt.


Im Nationalpark Mamede an der spanischen Grenze gibt's wunderbare Wanderwege durch halbverwilderte Korkeichen- und Olivenhaine. Kleine Flüsschen werden überquert und immer wieder geht der Blick nach oben zur alten Bergfestung Marvao.


Von Marvao geht's wieder über die spanische Grenze. Durch die Extremadura und über den breiten Tajo, der in Portugal Tejo heißt und bei Lissabon in den Atlantik mündet in die Hochebene von Kastilien. Im kleinen, hübschen Alba de Tormes sitzen wir beim Kaffee auf dem Marktplatz und genießen die Sonne.


Plötzlich tuckert eine Ente nach der anderen heran und wird fröhlich wie lautstark begrüßt. Schließlich sind 16 schmucke Oldtimer zu bestaunen und ich bin auf einer Zeitreise in die Siebziger, als ich mit meiner Kastenente auf Reisen ging...


Wir haben einige spanische Städte und Städtchen gesehen, unser absolutes Highlight war Salamanca. Eine alte Stadt mit wunderschönen Sandsteinfassaden und lauschigen Ecken, die sehr jung und lebendig wirkt. Selbst die Toiletten sind originell.


Mit einer zünftigen Bergwanderung in den Pyrenäen verabschieden wir uns von Spanien und fahren an schneebedeckten Gipfeln vorbei nach Frankreich hinüber.


Letzte Station Cassis an der Cote d'Azur. Nochmal Sonne tanken für den langen Winter. Ein letztes Mal Baden im schon sehr frischen Mittelmeer. Wandern und Bötchen fahren in den wilden Kalksteinfelsen der Calanques.