2023

Im August geht es los, schnell weg aus dem Bergischen Regenwald. Bei der Fahrt über den Bernardino-Pass lacht uns schon der Himmel freundlich zu. Im wunderschönen Mairatal im Westen des Piemont haben wir genau die richtige Mischung aus Sonne, Schatten und ab und zu mal eine Erfrischung von oben. Wir wandern hinauf zu Bergdörfern und Höhenwegen mit phantastischen Aussichten. Wieder unten, kühlen wir uns im eiskalten Fluss ab.

Höhenweg
Höhenweg
Badestelle
Badestelle


Noch höher hinaus geht's im Mercanturo Nationalpark in den Seealpen. Murmeltiere pfeifen, zeigen sich aber nicht. Dafür schließt der nette Hirtenhund Freundschaft mit uns und lässt sich kraulen, bevor er mit seiner Ziegenherde wieder in den Bergen verschwindet. Am Camp fließt der wilde Gesso vorbei, in dem man sich kurz erfrischen kann. Am Abend gibt's lecker Essen von Agnesa und Luca für die Camper.


Die Fahrt durch die Poebene ist öde und es wird immer heißer. Wir biegen rechts ab in die Berge nach Bobbio im nördlichen Appenin. Die alte Römerbrücke über den Nebbia, in dem man auch baden kann, wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder angepasst, so dass sie die Form eines vielhöckrigen Maultieres angenommen hat. 


Der irische Mönch, der die Bergbewohner missioniert hat, soll für den Bau der Brücke einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben. Die Brücke wurde an einem Tag erbaut. Aber dem Satan sollte die erste Seele gehören, die über die Brücke läuft. Am frühen Morgen jagte Sankt Columban einen Straßenköter über das neue Bauwerk.

Die Brücke über den Nebbia
Die Brücke über den Nebbia
Die schönen Ornamentkacheln der Kathedrale
Die schönen Ornamentkacheln der Kathedrale
Schöne schattige Gassen
Schöne schattige Gassen


Es wird immer heißer, wir fahren den Apennin höher hinauf ins toskanische Wintersportgebiet, um etwas Abkühlung zu finden. In Pianosinatico auf 900 Metern Höhe finden wir, was wir suchen. Im kleinen Campeggio senken wir den Altersdurchschnitt erheblich. Wir kampieren zwischen kleinen Holzhütten, die sehr freundlichen alten Herrschaften sitzen tags vor ihrer Hütte, führen den Hund Gassi oder spielen Karten. 


Am Abend gibt's im Gemeinschaftsraum Tanzveranstaltungen, Bingo oder lebhafte Zusammenkünfte der Dorfbevölkerung. Unser Italienisch wird immer besser. In den melodiösen Wortkaskaden können wir immer mehr Begriffe erkennen. Sogar ein Ristorante gehört zum Camping, in dem wir unfassbar gut und günstig tafeln.


Diese Vögel fliegen nicht weg
Diese Vögel fliegen nicht weg

Unser schattiges Bergdorf birgt viele Kuriositäten und Geheimnisse. Ein 90jähriger Herr, der gerade seinen Rasen wässert, als wir vorbeikommen, fragt uns, wo wir herkommen. Als er "tedeschi" hört, legt er den Schlauch beiseite und fängt an zu erzählen. Auf italienisch natürlich, aber so langsam und mit Gesten verbunden, dass wir das meiste verstehen.


Da drüben, zeigt er, da waren 1943 deutsche Soldaten. Andere haben sich im Wald in Bunkern versteckt. Was haben die gefroren im Winter! Sie haben die Passstraße und die ganze Gegend vermint, damit die Amerikaner, die von Sizilien anrückten, nicht weiter nach Norden kamen. Später gab es dann Kämpfe und Luftangriffe. Das halbe Dorf wurde zerstört. 


Nach dem Krieg hätten die Dorfbewohner die zerstörten Häuser mit allem, was sie fanden, wieder aufgebaut. Beim Umgraben eines Gartens hätte er die verbuddelten Leichen von deutschen Soldaten gefunden. Er war ja noch ein Kind, er freute sich, als die Amerikaner da waren. Sie verteilten Schokolade!

Der Platz der Erinnerung im Wald
Der Platz der Erinnerung im Wald

Was der freundliche Mann, wahrscheinlich aus Höflichkeit, nicht erwähnt: 1944 gibt es einen Partisanenangriff auf einen deutschen Militärkonvoi. Ein Offizier wird getötet, ein Soldat verletzt. Daraufhin werden in Pianosinatico willkürlich 11 Männer von der SS ergriffen und vor den Augen der Frauen und Kinder erschossen. Als die Mörder weg sind, vergraben die Dorfbewohner eilig ihre Toten und fliehen in die umliegenden Dörfer. Sie kehren erst nach dem Krieg in ihr zerstörtes Dorf zurück.

Drei Grundschüler aus Pianosinatico
Drei Grundschüler aus Pianosinatico


Aus unserem wohltemperierten Versteck in den Bergen trauen wir uns in die noch glutheiße, aber langsam abkühlende Toskana herunter. Wir entdecken immer wieder an Straßenecken Werke unbekannter Künstler, wie die Jungfrau Maria mit Taucherbrille (leider ohne Foto), das Mädchen mit der McDonalds Tüte in Lucca oder die Bilder, die die Straßen im kleinen Bergdorf Castiglione Fibochi in der Region Arezzo schmücken - anscheinend eine Karnevals-Hochburg...

Straßenkunst in Lucca
Straßenkunst in Lucca
Straßenkunst in Castiglione Fibocchi
Straßenkunst in Castiglione Fibocchi


Die toskanischen Städte sind imposant und eindrucksvoll. Manches ist von weitem schöner als von nahem. Am schönsten die kleinen Gassen und unerwarteten Ausblicke. Die plötzliche Stille, wenn die Läden und Andenkenshops verschwunden sind.

Siena
Siena


Und dann kommt er endlich, der lang erwartete Regen mit dramatischen Wolkenbildungen und Gewitter. Auch schön, Toskana ohne Hitzeglocke...

Wir sind inzwischen in der Maremma, den Bergen der südwestlichen Toskana. Im Vulkangebiet des Amiata liegt, malerisch auf einen Hügel gebettet, das Dorf Monticello Amiata. Gegenüber der kleine Camping mit Terrassen unter dicken, alten Maronenbäumen.


Weiter geht's zur Küste bei Grosseto zum schattigen Camping unter Pinien. Von dort kann man mit dem Fahrrad in den Nationalpark Maremma fahren.


Das eindrucksvolle Städtchen Pitigliano liegt oben auf dem Berg auf Tuffstein. Schon vor den Römern haben die Etrusker hier gewohnt und tief in den Fels eingeschnittene Verbindungswege angelegt. Sie waren die erste Hochkultur in Italien und haben nicht nur Rom gegründet, sondern auch schon Wasserleitungen angelegt und mit aller Welt Handel getrieben. 


Wo sie herkamen und wie ihre Sprache funktionierte, ist noch nicht geklärt. Und so plötzlich, wie sie auftauchten, verschwanden sie auch wieder. Spannend, auf ihren uralten Wegen zu wandern...

Nicht weit entfernt das schöne Städtchen Bolsena am großen, runden Kratersee, wo man in klarem Wasser herrlich schwimmen kann. Auch hier siedelten schon die Etrusker. Von der Burg oben hat man einen tollen Ausblick auf den See und die Berge.

Bei den Ausflügen rund um den See oder über die Bergkette nach Orvieto in Umbrien hinüber: Überall Siedlungen wie Adlerhorste hoch auf den Tuffstein-Felsen, überall Spuren der verschwundenen Etrusker, nach mehr als 2000 Jahren. Gesichter aus der Vergangenheit, die uns anschauen. Vielleicht auch zuschauen?

Wir verabschieden uns vom schönen Bolsena und Bolsena verabschiedet sich von uns mit einem rauschenden Fest oben auf der Burg. Es wird gegessen, getrunken und schließlich getanzt, zwei Folkbands spielen italienische Lieder und das überwiegend italienische Publikum begnügt sich irgendwann nicht mehr mit Mitsingen, sondern stürmt den Platz vor der Bühne. Da muss man einfach mitmachen...


Donna mobile

Die italienische Frau hat viele Leidenschaften, aber eine scheint alle anderen zu übertrumpfen: Sie telefoniert leidenschaftlich gerne, lautstark, lange und an den sonderbarsten Orten. Unvergesslich die Dame, die am wunderschönen Strand im Bikini mit den Beinen im Meer telefonierte. Ich dachte, irgendwann, will sie ja sicher baden, aber weit gefehlt. Sie stand auch noch dort, als wir zum zweiten Mal vom Schwimmen zurückkamen zu unserem Strandplatz mit Aussicht auf Meer und Donna mobile.


Oder die Dame, die nachmittags, in eine Art rosa Bademantel gehüllt, die vielbefahrene Straße überquerte, dabei einen frisch frisierten weißen Pudel gegen seinen Willen hinter sich herzog und natürlich telefonierte. Im gleichen Ort demonstrierte eine Donna, wie man gleichzeitig eine Eiswaffel schlecken und telefonieren kann. Italienischen Männer, die im Restaurant in sprachloser Bewunderung ihren telefonierenden Frauen gegenüber sitzen. Babys im Kinderwagen erleiden das gleiche Schicksal.


Diese rüstige 80-Jährige war mit ihrer Tochter im Café, goldene Turnschuhe, goldene Armreifen, Camouflagehosen. Sie telefonierte natürlich. Die Tochter auch. Vielleicht telefonierte sie sogar mit ihr?


Durch Umbrien fahren wir in die Provinz Marken in den Nationalpark Monte Sibillini. Hier hat man die herrliche Kulisse der bis zu 2500 hohen Berge vor Augen und es weht immer ein frisches Lüftchen. Es gibt aufregende Wanderwege zu den mächtigen Steinriesen, mit Wasserfällen und wilden Schluchten. Zwischendurch gibt es Stellen, wo beim letzten großen Beben 2017 der Hang gerutscht ist und Wege und Fluss verschüttet hat.

100 Meter über unserem Zeltplatz liegt das kleine mittelalterliche Dorf Montefortino mit einer traumhaften Aussicht auf die Sibellini Berge. Auch hier merkt man, dass einige der wunderschönen Häuser gestützt oder wieder hergestellt werden müssen. Ein ortsansässiger Künstler hat Dorfansichten von ehemals an den Fassaden befestigt.


Bologna - immer wieder ein Erlebnis! Eine Stadt im Rausch der Rottöne. Bologna la rossa - die Rote. Das war auch politisch ein Ehrentitel. 


Bologna hat die älteste Uni Europas und bleibt quicklebendig und jung: Bologna la dotta - Die Gelehrte. Die freundliche Donna auf dem Fresko hält kein Handy, sondern ein Buch und eine Feder. Das waren Zeiten...


Bologna hat ein unglaubliches Angebot an kulinarischen Köstlichkeiten. Überall gibt es Delikatessen zu probieren. Dieser Händler findet, im Schinken ist Musik drin. Bologna la grassa - die Fette. 


Bologna la rossa
Bologna la rossa
Bologna la dotta
Bologna la dotta
Bologna la grassa
Bologna la grassa